– KATC Sambia

Saatgutbanken: Wissen für eine nachhaltige Zukunft

Als Direktor des Kasisi Agricultural Training Centre in Sambia setzt sich der deutsche Jesuit und Agrarwissenschaftler Claus Recktenwald SJ für Rechte und Perspektiven kleinbäuerlicher Gemeinschaften ein. Wichtiges Instrument im Kampf gegen Klimakrise und Übermacht der Agrarkonzerne sind Saatgutbanken traditioneller afrikanischer Feldfrüchte.

Seit Jahrtausenden bewahren Bäuerinnen und Bauern Saatgut und entwickeln so die Vielfalt, die unsere heutigen landwirtschaftlichen Systeme prägt. Während die moderne Pflanzenzucht erst etwa 150 Jahre zurück­reicht, gründet sich die Vielfalt der Nutzpflanzen auf traditionellem bäuerlichen Wissen.

In Sambia dominiert heute der Maisanbau, eine Entwicklung, die auf die 1960er-Jahre zurück­geht, als Präsident Kenneth Kaunda die landwirtschaftliche Produktion ankurbeln wollte. Noch vor zwei Generationen bauten sambische Kleinbäuerinnen und -bauern jedoch über 30 verschiedene Pflanzenarten an, darunter dürreresistentes Sorghum, Hirse, Hülsenfrüchte und Gemüse. Diese Vielfalt stärkte die landwirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und sorgte für eine gesunde Ernährung.

Doch durch die zunehmende Abhängigkeit vom kommerziellen Saatgutmarkt droht dieses wertvolle Wissen verloren zu gehen.

Traditionelles Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse

In gemeinschaftlichen Saatgutbanken werden lokale Pflanzensorten erhalten und wertvolles Wissen bewahrt. Diese Saatgutbanken sind nicht nur Lagerstätten, sondern auch Orte, an denen traditionelles Wissen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen verbunden wird. Sie tragen zu einer verbesserten Ernährung bei und bieten Lösungen für Anpassungen an den Klima­wandel. Außerdem sind sie kulturelle Begegnungsstätten, wo Menschen zusammenkommen, um Wissen zu teilen und ihr Erbe zu bewahren.

Saatgutbanken gibt es in unterschiedlichen Organisationsformen: Die einfachste Form ist die Haushaltssaatgutbank, in der eine Familie ihr Saatgut von Jahr zu Jahr aufbewahrt. Mehrere Haushalte können gemeinsame Saatgutbanken bilden, die von einer Dorfgemeinschaft oder einer Kooperative geführt werden. Solche gemeinschaftlichen Saatgutbanken können auch für benachbarte Dörfer zugänglich sein, als Orte für Saatguttausch, Verkauf von Ernteprodukten oder für gemeinschaftliche Züchtungsprojekte.

Warum sind Saatgutbanken wichtig?

Saatgutbanken bieten zahlreiche Vorteile für die lokale Land­wirt­schaft und den Schutz traditioneller Pflanzensorten:

  • Erhalt wertvoller Kulturpflanzen: Saatgutbanken schützen lokal angepasste Pflanzensorten, die auch in extremen Wetterlagen nicht verloren gehen sollen. Sie sind zudem bedeutende Orte kulturellen Erbes.
  • Lokale Anpassung fördern: Kommerzielle Pflanzensorten brauchen oft acht Jahre, bis sie sich an lokale Bedingungen angepasst haben. Das jährlich notwendige Kaufen von Saatgut behindert diese Anpassung, während bäuerliches Saatgut von Natur aus oft kostengünstiger und besser angepasst ist.
  • Widerstandsfähigkeit durch genetische Vielfalt: Traditionelle Sorten bieten Schutz gegen Schädlinge und Krankheiten, die in Monokulturen verheerend sein können. Eine Vielfalt an genetischen Merkmalen mindert die Gefahr großflächiger Ausfälle.
  • Beitrag zur Pflanzenzucht: Die in Saatgutbanken gesicherten Sorten bieten auch eine wichtige genetische Basis für die Zucht neuer Sorten.
  • Anpassung an den Klima­wandel: In einem sich wandelnden Klima bietet die genetische Vielfalt die Grundlage für natürliche Anpassung und Resilienz. Das genetische Potential in der Natur übertrifft oft die Möglichkeiten, die moderne Gentechnik bieten kann.

Förderung gemeinschaftlicher Saatgutbanken: Herausforderungen und Perspektiven

Um gemeinschaftliche Saatgutbanken weiterzuentwickeln, sind Bildung und Sensibilisierung entscheidend. Kleinbäuerinnen und -bauern sollten die Möglichkeit haben, das Wissen und die Fähigkeiten zu erwerben, um eigenständig Pflanzen zu züchten. Ein weiterer Faktor ist die gesetzliche Lage: Internationale Abkommen, wie der „Vertrag über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Land­wirt­schaft“ (ITPGRFA), erkennen sowohl die Rechte von Saatgutunternehmen als auch die Rechte der Bäuerinnen und Bauern an. Doch auf nationaler Ebene werden oft nur erstere umgesetzt, da die Konzerne starken Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben. In Sambia könnte so ein neues Gesetz die traditionellen Saatgutsysteme erheblich gefährden.

Ein dritter, notwendiger Aspekt ist die Finanzierung. Klimafonds sollten auch in traditionelle Saatgutsysteme und Agrarökologie investieren, da diese einen erheblichen Beitrag zur Klimaanpassung und -minderung leisten können.

Koexistenz von kommerziellen und traditionellen Saatgutsystemen: Ein gemeinsamer Weg

In vielen afrikanischen Ländern wird zwischen „formellen“ und „informellen“ Saatgutsystemen unterschieden, was jedoch oft eine Wertung impliziert, bei der das traditionelle System als „unvollständig“ angesehen wird. Eine kooperative Zusammenarbeit könnte wesentlich zur Klimaanpassung beitragen. Bereits heute profitieren Züchtungsprogramme von genetischem Material, das durch bäuerliche Zuchtmethoden entstanden ist. Ein gutes Beispiel ist das Maissaatzuchtprogramm von KWS, das auf robusten Linien basiert, die unter extremen Bedingungen selektiert wurden. Bäuerinnen und Bauern könnten gemeinsam mit Saatgutunternehmen neue Sorten entwickeln, die den Herausforderungen des Klima­wandels gewachsen sind.

Gemeinschaftliche Saatgutbanken bieten nicht nur in Sambia, sondern weltweit eine nachhaltige Alternative zu kommerziellem Saatgut und fördern resilientere Anbausysteme. Sie sind eine wichtige Ressource im Kampf gegen den Klima­wandel, der verstärkt extreme Wetterbedingungen bringen wird.
Durch den Erhalt traditioneller Sorten und die Weitergabe von Wissen tragen diese Saatgutbanken zur Ernährungssicherung bei, zur Erhaltung der Biodiversität und zur Anpassung an den Klima­wandel. Es ist an der Zeit, die traditionellen Saatgutsysteme zu schützen und gemeinsam an einer klimaresilienten Zukunft zu arbeiten.

Claus Recktenwald SJ

KATC: Sambias Hoffnung ist grün

Das Kasisi Agricultural Training Centre (KATC) in der Nähe von Lusaka ist ein Zentrum der Jesuiten in Sambia zur Förderung der ökologisch-nachhaltigen Landwirtschaft durch Modellprojekte und entsprechendes Training von Bauern. Eine Recycling-Initiative verringert Müll und schafft neue Einkommensquelle

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