– Vietnam

Kirche im Aufbruch

Missionsprokurator Christian Braunigger SJ hat mit Mitbruder Trieu Ngyuen SJ Projekte der vietnamesischen Jesuiten besucht. Er berichtet über lebendigen Glauben unter schwierigen Bedingungen, Mut und Großherzigkeit.

Die vietnamesischen Jesuiten haben viel Nachwuchs, obwohl die Hürden für den Eintritt sehr hoch liegen. Kandidaten müssen ein Studium absolvieren, sie wohnen zusammen und haben ein straffes Programm, bevor sie nach einigen Jahren eventuell in das zentrale Kandidatenhaus in Saigon aufgenommen werden. Dort verbringen sie ein weiteres Jahr als Kandidaten und verbessern ihre Englischkenntnisse. Erst im Anschluss geht es ins Noviziat, die eigentliche Prüfungszeit.

Ich bewundere die Ausdauer der Kandidaten und frage mich: Gäbe es in Deutschland einen solch langwierigen Prozess, wäre ich jemals Jesuit geworden?

Einsatz im Ausland

Am Ende des ersten Studienabschnitts werden die jungen Jesuiten gefragt, ob sie sich vorstellen können, in andere Länder entsandt zu werden, mit der Perspektive, am Ende der Ausbildung dorthin zurück­zukehren.

Von den etwa 350 vietnamesischen Jesuiten arbeiten mittlerweile etliche im Ausland, um die Kirche dort unter zum Teil unter schwierigen Bedingungen zu unterstützen: in Kirgisien, Pakistan, Myanmar, Kambod­scha, Thailand, Laos, Ost-Timor, Japan, Korea, Nepal, Taiwan – und auch in Ungarn und Frankreich.

Mut und Großherzigkeit

Die vietnamesische Provinz ist mit einem Altersdurchschnitt von 39 Jahren sehr jung – in der zentraleuropäischen Provinz beträgt er 70 Jahre. Und obwohl die Zahl der Katholikinnen und Katholiken mit ca. zehn Millionen vergleichsweise gering ist, gibt es mit 27 Novizen sehr viel Nachwuchs.

Wir sind eingeladen, vor 70 Jesuiten im Studium der Philosophie und Theologie über unsere Arbeit bei jesuitenweltweit und unsere Philosophie zu berichten. Am Ende der Präsentation fragt ein Mitbruder: „Euer Werk ist groß. Wie müsste ich mich darauf vorbereiten, um euch in Nürnberg zu unterstützen? Ich will dies gerne meinem Provinzial vorschlagen!“ Ich bin berührt von dieser Bereitschaft, aber erkläre, dass die Arbeit bei uns oft Verwaltung bedeutet. Für die Ausbildung eines Jesuiten ist es jedoch wichtig, pastoral tätig zu sein. Für mich persönlich war die Zeit im Flüchtlingslager in Afrika sehr wichtig. Flüchtlinge haben viel verloren, ihr Hab und Gut und oftmals auch Angehörige. Daher ist es bedeutsam, dass Kirche an solchen Orten präsent ist, um zu verkünden: „Wie Gott das Volk Israel begleitet hat, so begleitet Gott auch Euch auf Eurem schwierigen Weg! Er ist bei Euch!“

Ich hatte die Hoffnung, dass sich vielleicht der eine oder andere für diese Arbeit mit dem Jesuiten-Flücht­lings­dienst begeistern kann, und am darauffolgenden Morgen erklärt einer von ihnen: „Ich will gerne dem Provinzial vorschlagen, mit dem JRS zu arbeiten!“ Der Besuch der vietnamesischen Provinz und die Gespräche mit den jungen Jesuiten berühren mich und machen Mut. Sie versprühen eine wunderbare Großherzigkeit!

Kirche im Untergrund

Mit der Un­ab­hängig­keit Vietnams von Frankreich wurde das Land geteilt. Im kommunistischen Norden waren ab 1954 die Kirche und ihre Gläubigen Repressalien ausgesetzt. Viele flohen in den Süden. Der Glaube hielt sich in vielen Dörfern lediglich aufgrund einzelner Fami­lien. Als 1975 Nordvietnam den Krieg gewann und das Land vereinigt wurde, wurde es auch im Süden schwierig, den Glauben zu leben. Bis 2003 fand auch hier die Ordensausbildung nur im Untergrund statt; mittlerweile ist es leichter, doch der Glaube und die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche sind identitätsstiftend und bis heute eine eindeutige Positionierung
gegenüber der Regierung.

Hauskirchen bewahren den Glauben

Im Norden Vietnams, in der Diözese Bac Ninh, besuchen wir eine Pfarrei mit zehn Kirchen, für die ein Jesuit verantwortlich ist. In einem der zur Pfarrei gehörigen Dörfer beschloss vor knapp 20 Jahren eine heute 88-jährige Dame, dass sie nun auf ihrem Grundstück eine Kirche bauen muss, damit der Glaube im Dorf lebendig wird und eine Zukunft hat. Die Regierung genehmigte schließlich ein wenig misstrauisch den Kirchbau. 2015 wurde er, einschließlich eines Turms, abgeschlossen.

In einem anderen Dorf traf aus der gleichen Motivation heraus ein Vater von vier Kindern die Entscheidung, sein Grundstück in fünf Parzellen zu unterteilen. Jedem Kind gab er eine, und in der Mitte baute er eine Kirche.

Die Dorfgemeinden sind lebendig und in den letzten Jahren stark gewachsen. Sie erinnern an die Hauskirchen der frühen Christen, wo man sich in Wohnräumen traf, um gemeinsam den Glauben zu feiern.

Eine Kirche für die Hauptstadt

In der Hauptstadt Hanoi sind Jesuiten für eine kleine Kapelle verantwortlich, die etwa 120 Personen Platz bietet. Wir gehen am Abend in den Sonntagsgottesdienst. Mit etwa 100 Menschen ist die Kirche gut gefüllt – doch draußen auf dem Kirchplatz sitzen und stehen weitere 600 Gläubige und feiern mit. Über Lautsprecher und einige große Bildschirme wird der Gottesdienst übertragen. An diesem Sonntag waren alle fünf Gottesdienste so gut besucht.

Die Zahl der Katholiken in Hanoi wächst, auch weil die ländliche Bevölkerung in die Stadt migriert. Die kleine Kapelle soll nun einer großen Kirche weichen. Die Behörden von Hanoi haben nach einer langen Hängepartie mittlerweile auch die Genehmigung erteilt. Die Baukosten betragen ca. 700.000 Euro, die Gläubigen
beteiligen sich mit etwa 400.000 Euro, jesuitenweltweit steuert 100.000 Euro bei.

Tadihoc: ein sicherer Ort für Kinder

Die Lebenssituation ist für viele Kinder in Vietnam komplex. Wenn Arbeitsmigranten mit ihren Fami­lien vom Land in die Stadt ziehen, können sie für ihre Kinder oft keine Geburtsurkunde vorweisen. Die Folge: Die Kinder dürfen nicht zur Schule gehen! Viele andere Fami­lien haben nicht ausreichende finanzielle Mittel, um für die Kinder Schuluniformen und Bücher zu kaufen. In Saigon unterstützt Tadihoc (dt.: „Lasst uns zur Schule gehen“) die Kinder und Fami­lien und bietet auch einen sicheren Ort, wenn die Eltern arbeiten müssen. Die Kinder erhalten im Zentrum rudimentären Schulunterricht oder Nachhilfe und auch eine Mahlzeit am
Tag. Kinder finden so ein Stück Geborgenheit in so manchen tragischen Fami­liengeschichten. Manche schaffen es, im Anschluss zu studieren. Zwei dieser Studentinnen engagieren sich nun ehrenamtlich bei Tadihoc.

Der Traum vom Haus

Im Süden des Landes leben seit Jahrhunderten viele Khmer, eine Minderheit, die ihre Wurzeln in der Kultur des heutigen Kambod­scha hat. Der katholische Bevölkerungsanteil ist klein. Neben der Pfarreiarbeit haben die Jesuiten hier ein Hausbauprogramm gestartet. Menschen in prekären Situationen wird geholfen, aus ihren Hütten ein kleines Zwei-Zimmer-Haus zu bauen.

Wir treffen Amara. Sie ist 72 Jahre alt, aber wirkt deutlich älter. Die Strapazen des Lebens haben sie gezeichnet. Ihr Mann ist schon lange tot, und sie hat drei Kinder. Zu einer Tochter hat sie gar keinen Kontakt mehr, die anderen sind weit weg und kümmern sich nicht. Bei ihr lebt ihr 14-jähriger Enkel Chak. Er ist schweigsam. Als Chak 14 Monate alt war, sind seine Eltern verschwunden – niemand weiß, wo sie sind. Seitdem lebt er bei seiner Großmutter. Amara hat Chak wie ihr eigenes Kind aufgezogen. Mehrmals die Woche geht sie aufs Feld, um zurück­gelassene Reispflanzen zu suchen.

Immerhin haben die beiden nun eine feste Unterkunft, die sie vor Regen schützt, und sie haben eine eigene Wasserpumpe. Die Arbeit der Jesuiten ist letztlich simpel, sie identifizieren Bedürftige und helfen, ein billiges Haus zu bauen, das inklusive Wasserbohrloch und Pumpe ca. 2.000 Euro kostet. So konnten in den letzten Jahren zwei Dutzend Häuser gebaut werden.

Mir kommt ein Bibelzitat in den Sinn: „Ich war obdachlos, und du hast mich aufgenommen.”

P. Christian Braunigger SJ

Vietnamesische Jesuiten im Einsatz für Südostasien

Gemeinsam mit der vietnamesischen katholischen Gemeinde in Deutschland unterstützen wir das Vincente-Heim für Kinder mit Handicaps, ein Hausbau-Programm, ein Brunnen-Proiekt in Laos und setzen uns für die Belange „staatenloser“ Vietnamesinnen und Vietnamesen in Kambod­scha ein.

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