– Jesuit Worldwide Learning

Ihr seid alle Geschwister!

Längst sind in Erbil die Plakate des Besuches von Papst Franziskus wieder abgenommen. In den Herzen der Menschen im Nordirak bleibt der Nachklang seiner Botschaft: You are all brothers and sisters! Das Hochschul-Programm JWL könnte diese Vision Realität werden lassen.

Für Yousif bleibt es ein unvergesslicher Tag. Schon seit er klein ist, bewunderte er den Papst. Seine Mutter Nagham erzählt oft die Geschichte, wie er als Kleinkind – gerade erst sprechen gelernt – vor dem Fernseher saß und, wenn immer der Papst im Fernsehen zu sehen war, gesagt hat: „Das ist mein Papst“. Nicht nur für ihn ging ein großer Traum in Erfüllung, als er im März 2021 Papst Franziskus bei seinem Besuch in Qaraqosh Blumen überreichen durfte, sondern auch für seine Mutter Nagham und die Christen in Qaraqosh.

Christen auf der Flucht

Naghams Familie kommt ursprünglich aus Qaraqosh. Aufgewachsen ist sie in Basra, da unter dem Regime von Saddam Hussein viele Christen in den Süden nach Bagdad und Basra gezogen sind. Nagham hat früh geheiratet, mit dem Fall Saddams ist die Familie zurück in ihre Heimatstadt geflohen, da um die Jahrtausendwende die gewaltsamen Überfälle auf Christen im Süden stark zugenommen hatten. Ihr begonnenes Universitätsstudium musste sie abbrechen. 2014 musste die Familie wieder fliehen, diesmal vor dem IS. Zuflucht fanden sie im nahen Erbil, der Hauptstadt der Region Kurdistan-Irak. Nagham hat zwei Söhne und eine Tochter, ihr mittlerer Sohn Yousif hat Trisomie 21. Das machte es für die Mutter unmöglich, ihren Traum von Höherer Bildung zu verwirklichen, bis sie im Jahre 2017 ihr Online-Studium mit Jesuit Worldwide Learning (JWL) begonnen hat. Sie absolvierte das Diplom in Liberal Studies der renommierten Regis University, einer der Partner-Unis von JWL, und wählte den Schwerpunkt Soziale Arbeit. Nach ihrem Abschluss zog sie mit ihrer Familie in das inzwischen vom IS befreite Qaraqosh. Dort eröffnete sie zusammen mit der syrisch-katholischen Gemeinde ein JWL-Lernzentrum, wo sie seitdem über 100 junge Leute in Englisch unterrichtet – Christen wie Muslime.

Das Misstrauen sitzt noch tief

Seit dem Papstbesuch im März werden dort auch der „Peace Leader“-Kurs und ein Kurs für Tutoren angeboten. Die Kurse finden vor allem bei Frauen hohen Anklang, der Anteil weiblicher Studentinnen beträgt über 80 Prozent. Viele teilen ein ähnliches Schicksal wie Nagham und sehen gerade im eLearning eine große Chance sich weiterzubilden. „Ihr seid alle Geschwister“, diese Friedensbotschaft des Papstes wollen sie vertiefen und als Mediatoren umsetzen. Wie weit aber dieser Weg auch für die Christen im Irak ist, zeigen P. Marc Stephan Giese SJ, ein Jesuit aus Deutschland, der in Amman arbeitet, und ein gescheiterter Besuch in Alqosh, einem Dorf der Chaldäischen Christen: Seit der IS-Bedrohung werden alle Zufahrten zum Dorf von eigenen Kontrollposten überwacht. Als Fremde aus Deutschland, selbst mit römischen Priesterkragen, konnten wir ohne die Genehmigung der Bürgermeisterin, die telefonisch in dem Moment nicht erreichbar war, das Dorf nicht betreten, um das 1000 Jahre alte Bergkloster, den ehemaligen Sitz der Patriarchen, zu besuchen. Bei den Christen als Minderheit herrscht viel Abgrenzung untereinander und Angst vor den Muslimen. Papst Franziskus schloss in seine Botschaft der Geschwisterlichkeit jedoch nicht nur Christen aller Denominationen mit ein, sondern auch die muslimischen und jesidischen Brüder und Schwestern.

Die neuen Friedensstifter

Im Gegensatz zu dem Erlebnis an der Dorfgrenze von Alqosh waren die Begegnungen mit den JWL-Peace Leaders im Khanke Camp der Jesiden, im Domiz Camp mit syrischen Flüchtlingen und in Erbil mit jungen Christen sehr ermutigend. Alle haben das sechsmonatige Programm absolviert, das vom „Peace Institut“ des Hekima University College angeboten wird. In den Reden bei ihrer Abschlussfeier sprachen sie von der persönlichen Veränderung, die sie im Laufe des Kurses erfahren durften. Professor Barbara Schellhammer von der Hochschule für Philosophie München hat einen Teil des Kurses erstellt. Zusammen mit dem JWL Research Team und Magdalena Nauderer, JWL-Repräsentantin im Irak, steigen die „Peace Leader“- Absolventen nun tiefer ein, um gezielt bestimmte Konflikte in ihrer Gemeinschaft und im Lager zu erforschen und um eine Veränderung zu bewirken. Bei der Graduierung der „Peace Leaders“ im Domiz Camp kamen zwei Frauen aus Alqosh dazu, die den Weg von ihrer christlichen Enklave hin zu den muslimischen Geschwistern aus Syrien gefunden haben, weil sie während des Peace Leader-Kurses verstanden haben, was ihnen und uns zum friedlichen Zusammenleben helfen kann.

Renaissance der Bildung

Bis vor kurzem unterhielt JWL im Irak sechs Lernzentren mit 550 Studenten. Mittlerweile sind viele jesidische Absolventen aus dem Khanke Camp in die SinjarBerge zurück­gekehrt, wo viele von Ihnen Zeugen des Genozides durch den IS im August 2014 wurden. Dort haben sie ein neues JWL-Lernzentrum eröffnet, um weiteren jungen Leuten Zugang zu höherer Bildung zu geben, ein weiteres ist schon in der Planung. Auch in diesem Jahr wird noch ein neues Zentrum in Sulaymaniyah im Kloster unseres vermissten Mitbruders Paolo Dall’Oglio SJ entstehen. Es ist anzunehmen, dass Paolo im Juli 2014 vom IS umgebracht worden ist. Das von ihm gegründete Kloster ist ganz dem interkulturellen und interreligiösen Lernen und Dialog gewidmet, in einer Stadt, die traditionell das intellektuelle Zentrum in Kurdistan ist und deren Einwohner unter Saddams Tyrannei Schreckliches erleiden mussten.Aber auch in der Ebene von Ninive, im Christendorf Qaraqosh, das Papst Franziskus besucht hat, und in Bartella, wo JWL Lernzentren betreibt, wollen der Priester Abouna Ammar und das JWL-Team Wege finden, wie sie in weiteren Dörfern der Region, christlichen wie auch muslimischen, höhere Bildung für die Jugend zugänglich machen können.

Ein toleranter Irak ist möglich

Mit diesem Engagement steht JWL in der Tradition der Jesuiten im Irak. Im Auftrag vom Papst kamen 1935 amerikanische Jesuiten nach Bagdad, um dort eine Schule und später eine Universität zu gründen. Von 1935 bis 1969 haben insgesamt 150 Jesuiten in diesen Institutionen gearbeitet und wesentlich zu einem modernen und offenen Geist im Land für Menschen aller Denominationen und Religionen beigetragen. Mit der Ausweisung aller US-Bürger aus dem Irak mussten auch die Jesuiten 1969 gehen. Dann kamen das Saddam-Regime und die Kriege und schließlich der Niedergang des Landes. Aber bis heute ist der Name „Bagdad College“ ein leuchtender Begriff für eine bessere Vergangenheit, für einen offenen und toleranten Irak. Genau 50 Jahre nach der Schließung des Bagdad College hat Nagham mit sechs anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen in Erbil ihren Diplom-Abschluss gemacht. Es bleibt die große Hoffnung, dass mit der Bildung von mehreren Tausend junger Leute jeder Herkunft, kritischer und offen denkender Menschen, das von Papst Franziskus gesäte Wort „Ihr seid alle Geschwister“ zur neuen Realität wird.

Peter Balleis SJ, JWL-Präsident

Bildung ohne Grenzen

Weniger als ein Prozent aller Geflüchteten haben Zugang zu Universitätsbildung – JWL bringt den Wandel: Was mit 1.000 Studienplätzen in Flüchtlingslagern in Kenia, Malawi, Jordanien, im Irak und in Afghanistan begann, hat sich zu einem globalen Bildungsnetzwerk entwickelt, an dem 2020 4.143 Studierende – 56 Prozent von ihnen sind weiblich – an 18 Standorten partizipieren konnten.

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