– IGER Guatemala

Die Zukunft im Radio

Bei der Mittelamerika-Reise der Hauptabteilung Weltkirche der Diözese Rottenburg-Stuttgart waren die Teilnehmenden besonders beeindruckt von der Arbeit des „Instituto Guatemalteco de Educación Radifónica“. IGER versorgt 12.500 Hörerinnen und Hörern mit hochwertigen Bildungsprogramme bis hin zum Erreichen eines Hochschuldiploms. Thomas Broch und Juliane Hernandez berichten aus Guatemala:

Unterwegs mit Geraldina Camargo, der Leiterin des IGER, führte uns die Fahrt von Guatemala City aus zwei Stunden in die nordöstlich gelegenen Berge – zunächst auf gut ausgebauten Straßen, später auf unbefestigten Wegen, die die Einheimischen eher mit Pferden bewältigen als mit dem Auto. Nach über zwei Stunden erreichten wir in Salamá, eine größere Siedlung in der Provinz Baja Verapaz einen der Studienkreise des IGER. Ungefähr 35 Menschen unterschiedlichen Alters warteten hier auf die Gäste – Kinder im Grundschulalter bis zu den Abschlussklassen, aber auch einige wenige erwachsene Männer sind unter den Schülern.

Welcher Mut und welche Energie, sich als Fami­lienvater dieser Situation auszusetzen!

Die Geschichten von Licelle und Raúl

Und hier trafen wir auch auf Licelle (16). Die junge Indigena fällt sofort auf durch ihren wachen Blick und ihre Offenheit. Sie erzählt, dass IGER für sie eine wirkliche Chance bedeutet, in ihrem Leben voranzukommen. Auch ihre beiden jüngeren Geschwister sind da – auf der öffentlichen Schule wurden sie gemobbt und konnten nicht bleiben; hier öffnet sich auch für sie ein Weg nach vorne. Licelle weiß, was sie will. Sie wird ihren Weg gehen.

Raoul (13) gehört zu einer Gruppe von Jugendlichen, die bereits in den höheren Schulstufen sind. Einige von ihnen arbeiteten am Computer, andere mit gedruckten Lernmaterialien. Alle trugen Schuluniformen mit dem IGER-Emblem. Für die jungen Leute ist es ein Identifikationssymbol: In ihren Dörfern geben sie stolz zu erkenne, dass sie zu IGER gehören, das überall im Land bekannt ist und Anerkennung genießt.

Raúl erzählt, dass er seit seinem siebten Lebensjahr arbeiten musste, um zum Lebensunterhalt seiner alleinerziehenden Mutter und der Geschwister beizutragen. Die Mutter hat ihm allerdings zugestanden, dass er die Hälfte seiner bescheidenen Einkünfte für seine Schulbildung verwenden darf. Er weiß, dass sein Leben nur mit IGER berufliche und soziale Zukunftschancen bereithält. Und diese wird er nutzen. Daran lässt er keinen Zweifel.

Die Pandemie hat die Armut verschärft

Aktuell unterhält IGER über ganz Guatemala verteilt 27 Studienzentren, in denen sich die Studierenden immer wieder zu Präsenzphasen und zu Prüfungen treffen, und knapp 700 Studienkreise vor Ort, in denen sich die Schüler wöchentlich für sechs Stunden treffen, um sich mit Lehrer:innen über das Gelernte auszutauschen. Derzeit werden so etwa 12.500 Schüler:innen erreicht. Vor der Corona-Pandemie waren es rund 16.000. Die Pandemie hat die Armut verschärft und das Thema Schulbildung für viele in den Hintergrund treten lassen.

Gesellschaftliche Bedeutung wächst

Um auch Menschen in prekären Lebenssituationen eine Perspektive zu eröffnen, wurde die Zahl der Vollstipendien erhöht. Die Unterrichtsmaterialien werden gefördert, und die Studiengebühren aller Studenten sind je nach sozialer Situation gestaffelt.

In Guatemala besuchen etwa 1,5 Millionen Kinder keine Schule. Die gesellschaftliche Bedeutung und Verantwortung von IGER können unter diesen Voraussetzungen nicht hoch genug eingeschätzt werden.

IGER: Bildung und Werte

Im Jahr 1979 gründete der deutsche Jesuit Franz Tattenbach SJ in Guatemala das IGER („Instituto Guatemalteco de Educación Radiofónica“) als Netzwerk von Radioschulen. Allgemeine Armut, die Folgen von 40 Jahren Bürgerkrieg oder auch nur die schiere Entfernung zur nächsten Schule versperren vielen Bürgern Bildungschancen: Knapp ein Drittel der Menschen können nicht lesen und schreiben. Das IGER schafft Abhilfe durch seine dezentralen Schulangebote. Sie nutzen das Radio als Medium und bieten über 40.000 eingeschriebenen Hörerinnen und Hörern zuhause hochwertige Bildungsprogramme bis hin zum Erreichen eines Hochschuldiploms. Doch bei IGER geht nicht nur um formale Bildung, sondern ebenso um Werteerziehung, Stärkung der familiären Integration und persönlichen Lebensverantwortung. Neben klassischen Unterrichtsfächern werden Themen wie Schutz der Kinderrechte, Kampf gegen Korruption und Gewaltprävention behandelt.


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