– Weltweit mit den Armen

An der Seite der Benachteiligten

Papst Franziskus hat 2019 die inhaltliche Ausrichtung des Jesuiten­ordens offiziell bestätigt und bekräftigt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Ordens haben alle Mitglieder weltweit mitdiskutiert, was die Gesellschaft Jesu in den nächsten zehn Jahren für die Kirche und die Gesellschaft bewirken will. Ergebnis sind die Vier Apostolischen Präferenzen, die Pater General Arturo Sosa nach ausführlichen Beratungen allen Jesuiten ans Herz legt.

Die zweite Präferenz heißt: An der Seite der Benachteiligten.

Was dies für einen Jesuiten bedeutet, erklärt Markus Inama SJ, Vorstand der Concordia Sozialprojekte in Wien.


„An der Seite der Benachteiligten: Gemeinsam mit den Armen, den Verworfenen der Welt, den in ihrer Würde Verletzten auf dem Weg sein, gesandt zu Versöhnung und Gerechtig­keit.“


Warum sozial handeln?

Der Leiter des Jesuiten Flücht­lings­dienstes (JRS) in Australien, Mark Raper SJ, erwähnte bei einem Vortrag einen Satz, mit dem er Schüler*innen zu überzeugen versuchte, Menschen auf der Flucht eine faire Chance zu geben: „Where you sit is where you stand“. Unser Standpunkt und unsere Meinung sind oft sehr eng mit dem Umfeld verknüpft, in dem wir leben. Deshalb ist es gut, hin und wieder den Standort zu verändern und ganz andere Perspektiven einzunehmen. Die wichtigste Aufgabe dabei ist nicht, mit Projekten zu beginnen, unsere primäre Aufgabe ist, die Perspektive zu ändern und „die Fragen, die Sehnsucht und die ganz fundamentalen menschlichen Bedürfnisse der Flüchtlinge zu hören“.

Ein fixer Bestandteil der jesuitischen Ausbildung sind deshalb verschiedene Praktika, während denen wir für einige Monate oder auch Jahre an der Seite von notleidenden Menschen leben. Diese Praxis geht auf die ersten Jesuiten zurück. Sie besuchten Gefangene und pflegten Kranke. Ich persönlich habe die Jesuiten in einem Heim für obdachlose Menschen in Wien kennengelernt. Dabei wurde mein Horizont verändert, nicht nur was die Lebenssituationen von obdachlosen Menschen betrifft. Mir wurde auch das Bild, was Ordensleben bedeutet, auf eine völlig neue Weise nahegebracht: Ordensleben bedeutet, mich an den Brennpunkten des gesellschaftlichen Lebens aus der Kraft des Glaubens für andere einzusetzen.

Worten müssen Taten folgen

Im Jahr 1965, als das zweite Vatikanische Konzil noch im Gange war, wurde Pedro Arrupe zum neuen Generaloberen der Jesuiten gewählt. Unter seiner Führung wurde in den Jahren 1974/75 das Leitbild der Jesuiten neu formuliert: „Dienst am Glauben und Einsatz für die Gerechtig­keit“. Es blieb nicht nur bei Formulierungen. Als in den späten 70er Jahren 1,6 Millionen Menschen mit Booten aus Vietnam flüchteten, gründete Pedro Arrupe den Jesuiten Flücht­lings­dienst, der inzwischen in über 80 Ländern präsent ist.

Eine andere Gründung, die ebenfalls in diese Zeit zurück reicht, ist die Freiwilligenorganisation Jesuit Volunteers, die seit Mitte der 80er Jahre vorwiegend für junge Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Sozialeinsätze an unterschiedlichsten sozialen Brennpunkten der Welt koordiniert.

Das neue Leitbild des Ordens hatte auch auf andere Aufgabenfelder des Ordens Auswirkungen. Jesuitenschulen setzen sich seit damals zum Ziel, „Menschen für andere“ auszubilden. Im Konzert der vielen NGOs, die im sozialen Bereich tätig sind, zeichnen sich jesuitische Initiativen dadurch aus, dass versucht wird, den praktischen Einsatz sozialwissenschaftlich und theologisch zu reflektieren und Verbindungen zu anderen Aufgabenfeldern des Ordens herzu stellen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Jesuit Worldwide Learning“ (kurz JWL), das in den letzten Jahren entstanden ist und welches Menschen in Flüchtlingslagern einen Studienabschluss ermöglicht. JWL kooperiert dabei vor allem auch mit ordenseigenen Hochschulen.

„Wir müssen lernen, Niederlagen zu feiern“

Bei einem Gespräch mit unserem ehemaligen Generaloberen Adolfo Nicolás (1936 2020) anlässlich eines Jubiläums meldete sich ein älterer Mitbruder zu Wort und meinte, dass bei einer solchen Feier naturgemäß die Erfolge und die erfreulichen Dinge im Mittelpunkt stünden, ihn aber doch interessieren würde, wo Pater Nicolás die Defizite der Jesuiten sehe. Pater Nicolás antwortete: „Wir Jesuiten tun uns mit dem Engagement für arme Menschen schwer, weil wir gewohnt sind, Erfolge zu feiern. Wenn wir uns für wirklich arme Menschen engagieren, dann gibt es keine großen Erfolge. Da gilt es eher, Niederlagen einzustecken.“ 

Und dann sagte er den etwas provokanten Satz: „Wir müssen lernen, Niederlagen zu feiern.“ So gesehen ist die 2. Präferenz wichtig, weil sie uns immer wieder mit einer Realität konfrontiert, die unangenehm ist.

Markus Inama SJ

Gemeinsam an der Seite der Benachteiligten

Concordia Sozialprojekte

  • Hilfe für die Armenviertel Bulgariens, Rumäniens und der Republik Moldau

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  • Unter­stützung für Hochschulbildung in Flüchtlingslagern und Krisengebieten weltweit

Jesuit Volunteers

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